Drenthe, die „Ur-Provinz der Niederlande“… schon Vincent van Gogh weilte hier und ließ sich von den Heide- und Dorflandschaften inspirieren. Ein hübscher Fleck Erde, an dem es sich oft anfühlt, als sei die Zeit stehen geblieben. Nationalparks mit Glocken- und Besenheide treffen auf Bauerngehöfte und pittoreske Dörfer mit Geschichte, Denkmäler wie die riesigen Hünengräber und Museen verschiedenster Art locken Kultur- und Geschichtsinteressierte an.
Und dann gibt es da noch ein ganz speziellen Ort.
Den „Circuit van Drenthe“ oder wie er heute heißt: „TT Circuit Assen“. Erbaut 1955 als permanente Rennstecke speziell um Motorradrennen auszutragen. Mehrfach wurde sie bereits umgebaut und verkürzt, heute hat sie 17 Kurven, ist 4555 Meter lang und es werden auch Rennen mit 4 Rädern dort ausgetragen. Sogar die amerikanische Champ Car Serie war ihrerzeit damals schon zu Gast.
Und um die Historie dieses niederländischen Motorsport-Mekkas gebührend zu feiern und die alten Zeiten noch einmal aufleben zu lassen gibt es dort jährlich den Tabac Classic GP. Eine kleine aber feine Mixtur aus Zwei- und Vierrad-Rennsport, der sogar Ex F1 Weltmeister Emerson Fittipaldi einen Besuch abstattete. Viele historische Rennserien waren gekommen.
So auch der Belcar Historic Cup, mit seinen Läufen 7 und 8 zur 2024er Meisterschaft.
Mit dabei natürlich auch wieder das Team Brauneiser-Renntechnik. Diesmal allerdings leicht dezimiert, nur mit 2 Fahrzeugen im Einsatz. Der Holbay befeuerte Ford Escort RS2000 MK1 musste leider in Köln bleiben. Aufgrund einer fehlgeleiteten Ersatzteillieferung wurden die Reparaturarbeiten am, beim letzten Einsatz in Zolder beschädigten, ZF 5-Gang-Getriebe nicht rechtzeitig fertig, sodass man die Reise in den Norden schweren Herzens ohne die schwarz-goldene Rakete antreten musste. Somit war Marc Roessle kurzzeitig arbeitslos, wurde aber vor Ort in Assen als zweiter Fahrer auf den originalen Gruppe 1B Sinziger Escort RS2000 umgenannt. Diesen teilte er sich nun mit seinem Vater, Christoph. Der dritte Roessle im Bunde, Simeon, pilotierte wie gehabt seinen 1600er Ex Cup Ford Puma.
Nun denn, neue Strecke, neue Herausforderung, das galt für fast alle, denn nur sehr wenige kannten den schnellen und anspruchsvollen Kurs bereits von früher. Auch für die drei Roessles war er komplettes Neuland. Aber wie schon gesagt, sie waren nicht alleine. Dies zeigte sich am Freitag bereits nach wenigen Minuten, als das Qualifying mit der roten Flagge aufgrund von Unfällen für circa 15 Minuten unterbrochen werden musste. Fängt ja super an.
Nachdem die Aufräumarbeiten abschlossen waren ging es dann aber endlich sportlich zur Sache. Christoph und Marc Roessle gaben dem Sinziger Escort die Sporen, Simeon Roessle dem Puma. Schnell hatten sich alle mit der unbekannten Strecke angefreundet und erzielten beachtliche Rundenzeiten.
So platzierte Marc Roessle den Sinziger Escort nicht nur auf Rang 1 der FIA Klasse bis 2 Liter Hubraum sondern auch auf der Gesamt ersten Position der FIA-Klasse, was gleichzeitig Platz 26 von 43 Autos im kompletten Feld bedeutete. Soweit war man mit dem Auto noch nie nach vorne gefahren. Ebenfalls beflügelt war Simeon Roessle auf Ford Puma unterwegs. Diesen stellte er tatsächlich nur 4 Plätze dahinter auf Rang 30 im Gesamtfeld, was gleichzeitig aber auch P1 in der 1600er Nineties-Klasse bedeutete, wo er allerdings auch mal wieder alleine unterwegs war.
Na das kann ja was werden, dachte man sich für das erste Rennen. Und so sattelte man die vom Team Brauneiser-Renntechnik wieder einmal top vorbereiteten Fahrzeuge am Samstag morgen um 9 Uhr bei sonnigen, aber kühlen Verhältnissen. Und es sollte sich einiges ereignen.
Gleich nach dem Start preschten Christoph Roessle und Sohn Simeon wie wild los. Letzterer vielleicht ein wenig ungestüm. Denn Ende der zweiten Rennrunde setzte er zu einem waghalsigen Überholmanöver gegen einen Mitbewerber an, dass leider etwas anders verlief als erhofft. Mit viel Lenkradakrobatik, einer Grünstreifen- und Kiesbett-Expedition sowie etwas Glück konnte er den Puma unbeschadet wieder auf Kurs bringen. Andere hatten da weniger Glück, wodurch nach drei gefahrenen Rennrunden bereits eine Safetycar-Phase ausgelöst wurde, die leider knapp die Hälfte der 30-minütigen Rennzeit dauerte.
Christoph Roessle hatte unterdessen seine Position im Feld behaupten können, fieberte ungeduldig dem Neustart entgegen. Dieser ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Das Glück war allerdings nur von kurzer Dauer.
Nach weiteren fünf Rennminuten ereignete sich in Kurve 1 ein erneuter Unfall mit drei beteiligten Fahrzeugen, sodass der Rennleitung keine andere Wahl blieb, als das Rennen mit der roten Flagge zu beenden.
Nun denn, Simeon Roessle war der Klassensieg eh sicher, aber auch Christoph konnte seinen ersten Klassenrang verteidigen. Lediglich ein übermächtiger Ford Capri war in der Gesamtwertung der FIA-Klasse an Christoph Roessle vorbeigezogen. Dessen Glück währte aber auch nur kurz. Nachdem die Rennleitung sämtliche Videos und Zeiten analysiert hatte, verhängte sie eine 60-Sekunden Zeitstrafe gegen den Capri, da dieser während der Safety Car Phase anscheinend gleich zwei andere Fahrzeuge verbotenerweise überholt hatte. Oha. Somit waren Christoph Roessle und der Sinziger 1B Escort wieder auf Gesamtrang 1 in der Klasse der FIA Fahrzeuge. Respekt.
Damit war der Anfang gemacht. Die Söhne Marc und Simeon sollten es nun am Sonntag richten, Christoph hingegen hatte bereits Feierabend. Leicht bedeckt, aber bei trockenen Verhältnissen ging es am Sonntagmorgen um 10 Uhr auf die zweite 30-minütige Hatz. Simeon Roessle hatte sich einiges vorgenommen, wollte nach dem gestrigen Ausflug weiter nach vorne im Feld. Auch Bruder Marc hatte Pläne, den ein oder anderen Mitbewerber einzusacken und vor allem den Klassensieg zu wiederholen. Nach einem geglückten Start setzte er dies auch tatkräftig um, drehte eine schnelle Runde nach der Anderen, preschte wie wild nach vorne. Gebremst wurde er nach etwa 10 Rennminuten von einer, wie sollte es auch anders sein, Safetycar-Phase, nachdem ein BMW sich so im Kiesbett einbuddelte, dass schweres Geschütz aufgefahren werden musste.
Simeon Roessle hatte da schon längt seinen Ausrutscher vom Vortag wieder gutgemacht und die verlorenen Positionen im Gesamtfeld zurückerobert. Nach weitern 10 Minuten wurde dann endlich wieder die grüne Flagge geschwenkt, es ging weiter.
Marc Roessle hatte inzwischen den schnellen Capri ziehen lassen müssen, konzentrierte sich nun auf den Klassensieg bei den 2 Liter FIA-Autos, nachdem sein ärgster Mitbewerber auf BDA Escort durch die Safetycar-Phase wieder herangekommen war. Wie entfesselt drehte Marc eine Runde nach der Anderen und konnte so den Vorsprung wieder vergrössern. Dies hatte zur Folge, daß der BDA-Pilot es letztendlich etwas übertrieb und nun seinerseits in der letzten Schikane vor Start und Ziel ins Kiesbett rödelte und stecken blieb.
Was sollte das nun bedeuten, so kurz vor Ende… richtig, wieder einmal die rote Flagge und somit vorzeitiges Rennende.
Zum Schluß hatten Simeon und Marc Roessle jeweils ihre Klasse gewonnen.
Glückwunsch zu einem chaotischen aber recht erfolgreichen Rennwochenende an die Famile Roessle und das Team Brauneiser-Renntechnik. Somit hatte sich der Abstecher in die Niederlande auch in Unterzahl mehr als gelohnt.
In 4 Wochen geht es für die letzten beiden Saisonläufe zum Nürburgring. Dann auch wieder in kompletter Formation mit drei Fahrzeugen. Wir dürfen gespannt sein, wie es da läuft.
Bild: Belcar Historic Cup