
Außerordentliche Doppelbelastung
Es gibt Dinge, die sehen auf Papier gedruckt wirklich gut aus. Doch manchmal trügt der Schein. In der Realität entpuppen sie sich dann nämlich ab und zu als extrem knifflig und kraftraubend. Genau diese Überraschung hatte in den letzten zwei Wochen der Rennkalender der Deutschen Historischen Automobilmeisterschaft parat. Dort standen nämlich zwei absolute Hochkaräter auf dem Programm. Und zwar direkt hintereinander, ohne Verschnaufpause. Eine wirklich außerordentliche Doppelbelastung für das Team Brauneiser-Renntechnik, hatte man ja schließlich für die komplette Saison der Historic Championship 81 genannt.
Den Anfang machte dabei eine wirkliche Traditionsveranstaltung mit klangvollem Namen, das ADAC 1000KM Rennen. 6,5 Stunden, Nürburgring Nordschleife, Bellof, Mass, Stuck, Ickx, Quester, Siffert, Müller… alle sind sie hier schon mal gefahren. Ein absoluter Brecher. Und kein unbekanntes Terrain für das Team Brauneiser, war man doch bereits 2022 hier erfolgreich unterwegs gewesen. Herausforderung Angenommen.
Frohen Mutes reiste man Freitag vor dem Rennen an. Der originale Sinziger Ford Escort RS2000 wurde extra für diesen Marathon auf Langstrecke getrimmt und top vorbereitet. Dies galt auch für die Fahrerbesetzung. Marc Roessle wurde hier erneut, wie bei den 24h Classic, von Routinier Robert Baumann, inzwischen stolze 76 Jahre jung, am Volant unterstützt, während Stamm Co-Pilot Hans Gerd Brauneiser pausierte. Dazu kam diesmal noch ein weiterer, hierzulande allerdings unbekannter, dritter Fahrer. Chris Pearson, erfahrener Rundstrecken-Haudegen aus England, erfüllte sich an diesem Wochenende seinen Lebenstraum, einmal beim 1000km Rennen anzutreten. Er unterstützte die Beiden bei ihrem Husarenritt.
Nun denn, das Spiel kann beginnen. Und zwar mit einem ziemlich straff gestalteten Zeitplan am Rennsamstag. 90 Minuten Zeittraining standen für die 105 genannten Teams auf dem Programm. Dieses spulten die drei Brauneiser Piloten auch problemlos ab. Selbst Nordschleifen-Neuling Pearson machte dabei eine gute Figur, hatte er doch noch nie zuvor im Rennwagen die 24,358km absolviert.
Da man noch gut 6 Stunden Rennzeit vor sich hatte, gingen auch Roessle und Baumann kein volles Risiko, schonten das Material fürs Rennen. Während des Trainings gab es allerdings auch einige Probleme, nicht mit dem Fahrzeug sondern mit der Zeitnahme. So hatte man den Sinziger 1B Escort anfangs überhaupt nicht auf dem Schirm, es gab weder Zeiten, Namen, Klassen, noch sonst was zu dem Auto. Dies sorgte für erheblichen Unmut bei Teamchef Thorsten Bürvenich, der daraufhin mehrfach in der Zeitnahme vorstellig wurde. Am Ende der Qualifikation war dann anscheinend alles wieder okay. Auf Rang 77 von 105 und Platz 1 in der Anhang-K Klasse bis 2000ccm (leider erneut als Einzelstarter) beendete man das Training zufrieden.
Jetzt hieß es Checken, Vorbereiten, Nachtanken.
Und danach dann ab in den Vorstart. So zumindest der Plan. Denn, die eben angesprochenen Probleme der Zeitnahme waren noch lange nicht vorbei. Dies stellte man fest, als die Startaufstellung veröffentlicht wurde, der Brauneiser-Escort dort aber komplett fehlte! Skandal! Was war passiert?
Ein weiterer Besuch des Teamchefs in der Zeitnahme brachte dann die traurige Gewissheit. Erneut war ein folgenschwerer Fehler unterlaufen, man hatte zwar sämtliche Daten, Zeiten, etc. nun eingefügt, jedoch vergessen, das Fahrzeug der korrekten Startgruppe zuzuordnen. Unglaublich, das kann doch nicht wahr sein. Da die Startaufstellung auch schon in vollem Gange war, sah man sich auf die Schnelle nicht in der Lage, die Listen noch anzupassen und verwies den Escort kurzerhand in die letzte Startreihe! Eine absolute Unverschämtheit. Aber was sollte man machen, man wollte ja schließlich fahren. Unter lautstarkem Protest suchte man die letzte Startreihe auf.
Jetzt erst recht, dachte sich die Brauneiser-Truppe. Und so gab es für Startfahrer Marc Roessle auch nur eine Richtung, nämlich nach vorne. Versuchen, den entstandenen Schaden irgendwie zu begrenzen. Als die Ampel dann auf Grün schaltete ging die wilde Hatz los. Roessle kam gut voran, konnte sich gleich in den ersten Runden an diversen Mitbewerbern vorbeikämpfen. Seine Pace war hervorragend. Die Zeitnahme hatte da aber irgendwie andere Zahlen parat. Erneut stimmte irgendwas nicht. Das grenzt ja schon fast an Slapstick.
Irgendwie war man immer noch Vorletzter, mit mehreren Minuten Rückstand. Heißt, erneuter Besuch von Teamchef Bürvenich in der Zeitnahme, diesmal unterstützt von Brauneiser, der es ebenfalls nicht fassen konnte und selbst mal vorstellig werden wollte. Nach minutenlangen Diskussionen mit Schuldzuweisungen und melodramatischen Entschuldigungen wurde das Ergebnis dann endgültig bereinigt, der Escort rutschte in der Wertung urplötzlich dutzende Positionen nach oben. Na also, warum denn nicht gleich so.
Nachdem sich die Gemüter wieder etwas abgekühlt hatten, war es langsam Zeit für den ersten Boxenstopp. Und hier war wieder die gesamte Brauneiser-Renntechnik-Truppe gefordert. Es mussten Fahrer und Räder gewechselt werden, sowie nachgetankt und kleinere Service-Arbeiten durchgeführt werden. Mehrere Male wurden die Abläufe vorher zu Hause geprobt, sollte alles reibungslos ablaufen? Nach 12 Rennrunden steuerte Marc Roessle die Box an, jetzt kam es drauf an.
Absolut routiniert und ohne Fehler wurden sämtliche Aufgaben vom Team abgearbeitet. Knapp 4 Minuten später ging Chris Pearson vollgetankt und mit frischen Reifen wieder zurück auf die Piste. Top Job.
Auch vor ihm lagen 12 Rennrunden, oder knapp 290Km bzw. 2,5 Stunden Fahrzeit. Diese genoss der unerschrockene Mann von der Insel, der mit seinen 65 Lebensjahren bereits die ein oder andere Schlacht im historischen Motorsport in England, Belgien, Holland und Deutschland geschlagen hatte, in vollen Zügen. Bei seinem Nordschleifen-Debüt spulte er eine nach der anderen Runde problemlos ab. Inzwischen war der Sinziger Escort auch bereits wieder in den Top 50 angekommen, die Hälfte des Feldes hatte man hinter sich gelassen. Starke Leistung.
Nach den besagten 2,5 Stunden steuerte Pearson dann, abgekämpft aber hochzufrieden, die Box an, für den finalen Stop. Pearson raus, Baumann rein, bisschen Sprit nachfüllen und dann weiter. Auch dies wurde wieder hervorragend und ohne großen Zeitverlust von der Brauneiser-Mannschaft absolviert. Die letzte Stunde war inzwischen angebrochen. Das Feld hatte sich etwas gelichtet. Nur der Brauneiser-Escort, pilotiert von Altmeister Robert Baumann, peitschte unbeirrt und ohne Probleme über die Eifelachterbahn. Mit seiner ganzen Routine brachte Baumann den Wagen Stück für Stück dem Ziel näher.
Um 18:42, nach genau 30 Rennrunden war es dann soweit, Zieldurchfahrt, endlich. Überschwängliche Freude machte sich im ganzen Team breit. Es war tatsächlich geschafft. Rang 39 im Gesamtfeld ist es am Ende geworden. Platz 1 in der 2 Liter Klasse. Vom letzten Startplatz aus, Wahnsinn. Eine unglaubliche Teamleistung der gesamten Truppe. Auch das Fahrertrio hatte hervorragend harmoniert, Marc Roessle, Chris Pearson und Robert Baumann hatten abgeliefert. So wurde der Sinziger Ford Escort RS2000 MK2 absolut unbeschadet ins Ziel gebracht.
Ein versöhnlicher Abschluß eines Rennwochenendes mit Beigeschmack, dank der veranstalterischen Pleiten, Pech und Pannen. Diese gipfelten am Ende noch darin, dass die Brauneiser-Truppe bei der abschließenden Siegerehrung beinahe vom Veranstalter vergessen wurde, weil dieser sie auf der Ergebnisliste einfach überlesen hatte. Unglaublich. Über den äusserst chaotischen Ablauf der gesamten Veranstaltung wird wohl noch lange diskutiert werden.
Keine Zeit dafür, jetzt schnell einpacken und zurück nach Köln. Drei Tage später sollte es schon weiter gehen, nämlich nach Spa-Francorchamps, zu den historischen Six Hours.